Babyblaue Progressive Rock-Reviews

FAUN sind ... ähem, waren eine Würzburger Formation, die mit dieser Doppel CD ihren Abschied noch einmal würdig festhalten. Überwiegend kommen auf diesem Doppel Album Liveaufnahmen vom (letzten) Gig der Band am 31.01.98 zur Verwendung. Dazu kommen noch einige Studio- und Proberaumaufnahmen.

Der gut gemachte Prog-Rock der Band glänzt insbesondere durch die songdienlichen Arrangements. Von der Komplexität der Stücke lassen sich Parallelen zu den frühen SAGA oder MARILLION ziehen, ohne FAUN jetzt mit denen in einen Topf werfen zu wollen. Dazu "argumentiert" man einfach zu unterschiedlich. Die Songs sind vielfach sehr lang. Ein besonderes Schmankerl ist die permanent eingesetzte Flöte (irgendwer hat mal geschrieben, dass Flöte gleichbedeutend mit Jethro Tull sei - HIER NICHT!). Gitarre und Keyboard halten sich vor einem ordentlichen Bass/Schlagzeug Fundament die Waage. Der Gesang ist gut aber gewöhnungsbedürftig, glänzt aber immer wieder durch die prägnante Melodieführung.

Musikalisch geht man meistens ein ruhigeres Tempo. Durch die tollen Flöteneinsätze bekommt nicht zuletzt einen mystischen Touch hin, bewegt sich stellenweise auch in mittelalterlichen oder gar orientalischen Gefilden. Bereits die Eröffnungsnummer schafft eine warme Stimmung - Kerzen an, Licht aus, davonschweben. Ein unbedingt erwähnenswertes Highlight ist "A Flute In The Fog", dessen unbeschreiblich schöne Melodien immer wieder verzaubern. Das Gitarre/Flöte-Stück "In Vain" versprüht eine wahrhaft traurige Stimmung. "Micemakers" lehnt sich musikalisch an frühe MARILLION an. Das Piano-Stück "Warm September Rain" ist für mich eines der Highlights auf der ersten CD. Der schöne Gesang kann hier besonders unter die Haut gehen und Gänsehaut verursachen. Der Kracher der CD ist allerdings "Born Bad I". Hier wird Progfutter geboten. Verspielt und stellenweise erstaunlich hart wird hier nach vorn gerockt, dabei wird auch mal gehörig aufs Gaspedal getreten, nur um dann mit Akustikgitarre und Flöte wieder auf den Boden zu schweben. Mit "Born Bad II" geht es dann auf CD 2 gleich krachermäßig weiter! Diese Keyboardlinie setzt sich fest. Zudem glänzt das Stück durch einen sackstarken Groove, der sofort begeistert. Neben einiger Dramatik werden wieder viele atmosphärisch ruhige Momente von der Flöte gezaubert. Keyboard, Gitarre und Flöte liefern sich im abschließenden Soloteil grandiose Wechselspiele und Harmonien. Ein echtes Highlight. Ein eben solches ist auch das Piano Solo "On A Magician's Flight" - einfach grandios. "Great Is The Empire" gefällt mir auch wahnsinnig, und wieder ist es eine sehr ruhige Nummer mit viel Gefühl! Und wenn wir schon dabei sind. Auch das Bonbon, nämlich die Proberaumaufnahme von "Shrovetide" gefällt mir ausgezeichnet.

So, ich glaube kaum, dass ihr euch jetzt alles merken konntet was ich geschrieben hab ;-) Am einfachsten wäre es, wenn ihr die CD bestellt (freakCha@aol.com) und somit reinlauscht. Schade, dass FAUN bereits Geschichte sind. Damit ist der deutschen Szene eine gute und sehr eigenständige Band "flöten" gegangen. Diese Doppel-Live-CD ist ein eindrucksvoller Beweis dafür und zeigt die Klasse der Band auf. (12 von 15 Punkten)

Thorsten Gürntke, Babyblaue Progressive Rock-Reviews

Dieses Vermächtnis der Würzburger Formation Faun ist wahrlich ein hervorragendes Livedokument, in dem die Band auf höchst abwechslungsreiche Art und Weise ihre Klasse unter Beweis gestellt hat. Für ein Konzert einer doch sehr kleinen Band ist der Sound wirklich erstklassig. Das Songwriting ist durchweg auf hohem Niveau und sehr abwechslungsreich gehalten. Stilistisch kann der musikalische Inhalt als absolut klischeefreier Neoprog bezeichnet werden, obwohl es eigentlich ungerecht ist, die Band so pauschal in eine Schublade zu stecken. Kaum einer anderen Band ist es derart eindrucksvoll gelungen, zwischen bombastischem Prog, melodischem Rock und Folk-Elementen zu pendeln. Irgendwie haben manche Songs gerade wegen des exzellenten Flötenspiels einen mystischen Touch. Die Stimme des Sängers und Keyboarders Christoph Roth ist ausgezeichnet. In manchen Passagen erinnert er frappierend an Michael Sadler, was aber eigentlich die einzige Gemeinsamkeit mit Saga ist. Auf Anhieb kann kaum eine stilistisch vergleichbare Band genannt werden, was die Eigenständigkeit von Faun untermauert. Die Gitarre setzt auch sehr wohl dosierte Akzente.

Gerade im Fall von Faun wird einmal mehr offensichtlich, wie ungerecht doch gerade die Prog-Welt ist, da der Band ja nur ein regionaler Bekanntheitsgrad beschieden war. Da gibt es viele offizielle Studioaufnahmen von nationalen und internationalen Prog-Bands aus den 90er Jahren, die kompositorisch und auch soundtechnisch dieser in Eigenregie produzierten CD auf keinen Fall das Wasser reichen können. (12 von 15 Punkten)

Horst Straske, Babyblaue Progressive Rock-Reviews

Ein "wundersames Ende"...

Ende Januar jährt sich mal wieder das Abschiedskonzert der Würzburger Formation "Faun". Es ist damit schon sechs Jahre her, dass sich diese Formation (wie man schon den Rezensionen meiner Kollegen entnehmen konnte) aufgelöst hat. Dass ich diese Band aber auch erst vor kurzem kennen- und liebengelernt habe, zeigt aber: Es ist meist nie zu spät, wahre musikalische Perlen, die im Prog-Untergrund vor sich hindarben, kennenzulernen...

...was hier geboten wird, haben Thorsten und Horst schon sehr treffend beschrieben, ich werde also nicht jedes einzelne Lied wiederkäuen. Auch wenn das musikalische Potential, welches hier versteckt ist, dieses sogar rechtfertigen würde. Nur ein paar "atmosphärische" Hinweise: Es ist ziemlich schwer eine Schublade für Faun zu finden. Ist das Neoprog? Es gibt durchaus Anleihen an Marillion und für mich klingen, vor allem transportiert durch die Keys, manchmal auch das Schlagzeug, immer wieder Saga durch. Dazu trägt sicherlich die stimmliche Ähnlichkeit des Sängers zu Michael Sadler bei. Aber hier fehlt völlig der Bombast-Overkill, der nun sehr oft mit "klassischen" Neoprog-Aufnahmen einher geht. Auch werden die beschriebenen musikalischen Anleihen nicht als Kopiervorlage benutzt, sondern auf dieser Basis eigene Ideen entwickelt, die letztlich zu einer grossen musikalischen Eigenständigkeit führen. Wir haben hier eine sehr filigrane, eigenständige Version des Neoprog vor uns.

Die Kompositionen sind von meist ruhiger Natur, aber deswegen nicht weniger beeindruckend und echte Hinhörer, die einen völlig in ihren Bann schlagen. Die immer wieder präsente Flöte, die hier viel mehr als exotisches Beiwerk ist, gibt vielen Stücken einen mystischen Touch, der einem Schauer über den Rücken jagt. Musikalische Ausflüge in folkige Passagen, ja sogar leichte orientalische Klänge sorgen insbesondere für weitere Abwechslung. Und wie schon Thorsten weiter oben bemerkte: Mit "Born Bad" wird dann sogar mal richtig abgerockt, was auch hervorragend kommt.

Dieses Doppelalbum bewegt sich von Kleinod zu Kleinod, so dass man es eigentlich nicht fassen kann, dass diese Band sich nicht etablieren konnte (oder wollte, nachdem ja letztlich musikalische Differenzen unter den Musikern den Ausschlag gaben?). Welches Potential ging hier leider verloren. Die Bonus-Studio-Tracks stehen dem Live-Teil in nichts nach und verdeutlich nochmals wohin die Reise hätte gehen können.

Vorbei ist vorbei? Warum dann diese Rezi, sozusagen "six years after": Mit Faun ist es zwar vorbei, aber es gibt immer noch die Gelegenheit, diese wunderbare Band kennenzulernen... Wer jetzt neugierig geworden ist: Man wende sich per Mail an den Mailorder von Charlie Heidenreich oder direkt an einen der beteiligten Künstler, Uli Miksa, hier sollten noch einige wenige Exemplare dieses unbekannten Meisterwerks (Stand Januar 2004) verfügbar sein! (13 von 15 Punkten)

Thomas Kohlruß, Babyblaue Progressive Rock-Reviews

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