Empire - Magazin für anspruchsvolle Rockmusik

Tränen ergießen sich ungehindert auf die CD-Hülle. Schnell das Booklet gerettet, bevor es völlig durchfeuchtet ist. Was aber ist der Grund für diesen Ausbruch an Traurigkeit? Immerhin ist das doch sogar eine Doppel-CD, die der Postbote da gerade ins Haus gebracht hat. Nun gut, ich will es Euch erzählen!

Das vorliegende Album der Würzburger Formation Faun ist das erste und auch zugleich letzte Tonträger-Lebenszeichen der Band. "So what?" werden einige von Euch jetzt fragen – "Progbands gibt es doch wie Sand am Meer!" Tja, aber um den Verlust im Falle von Faun ermessen zu können, müßt Ihr unbedingt diese CD erwerben – diejenigen von Euch, die die zahlreichen Konzerte der Band besucht haben, wissen, warum das wirklich tragisch ist!

Ich lernte Faun live anläßlich ihres Doppelkonzertes mit Ars Nova im Januar 1997 kennen – und war, wie die meisten der angereisten Proggies – restlos begeistert. Unglaublich, aber wahr: wo doch heute jede billige Holzcombo ihre CDs veröffentlicht, haben Faun es auch nach 6 Jahren nicht geschafft, einen regulären Tonträger aufzunehmen. Nicht, daß es da am Interesse bestimmter Label gefehlt hätte, aber das ist eine ganz andere Geschichte...

Warum sich die Band zu Beginn dieses Jahres aufgelöst hat, weiß ich leider auch nicht so genau. Bekannt ist vielleicht, daß Gitarrist Marko Brenzinger inzwischen bei der etwas härteren Melodic-Prog-Metal-Formation CRISES die Keyboards bedient. Äh –was? – ja, tatsächlich, der Mann beherrscht beides – und seine Fähigkeiten im Tastendrücken stellte er live auch bei Faun unter Beweis – sein fantastisches Solo am Konzertflügel 'On A Magician's Flight' (auch auf dieser CD enthalten) war denn doch immer ein ganz besonderer Leckerbissen der Faun-Shows.

Also zurück zum Album: der Großteil des Materials wurde beim Abschiedskonzert der Band im Bechtolsheimer Hof zu Würzburg am 31.01.98 mitgeschnitten. Abgesehen vom Applaus in den Pausen könnten die CDs (Plural, jawoll!) auch als reguläres Studioalbum durchgehen – die Soundqualität ist hervorragend – und auch die Disziplin der Musiker ist so gut, daß sich das fast nach "live im Studio eingespielt" anhört. Wer damals mit dabei war, weiß, daß es ziemlich viele Pannen gab – aber davon ist auf dem Tonträger absolut nichts mehr zu merken.

Wer jetzt mit dem Namen Faun gar nichts anfangen kann, dem sei gesagt, daß dies eine der vielversprechendsten Neo-Prog Formationen des deutschsprachigen Raumes war, mit einer gelungene Mischung aus sehr melodiösem Bombast, atmosphärisch-stillen Passagen, manchmal auch etwas aggressiveren Gitarrensolos. Und natürlich dem charakteristischen Flötenspiel von Brigitte Groll, deren schüchterne Bühnenerotik wir sicher vermissen werden.

Auf den insgesamt 145 Minuten von "Wondrous End" finden sich auch gleich mehrere Longtracks, die die Zehnminuten-Grenze locker überschreiten, darunter auch solche Juwelen wie 'Lady Banshee', 'Mr. Industry' oder 'Thousand Days Before'. Zusätzlich zum schon wirklich tollen Livematerial (falls Gelegenheit, hier 2 Anspieltips: 'Great Is The Empire' oder 'The Stone') gibt es als Zugabe auch noch geniale Studioversionen von 'La Selva / Micemakers', 'Lady Banshee' (toll!) und 'Shrovetide'; letzteres eine Probenraumaufnahme.

Famous Last Words: Leute, ich möchte Euch dieses Album sehr ans Herz legen – mir ist es bereits an selbiges gewachsen. Ein Dokument über die Qualitäten einer herausragenden Band, die mehr Potential hatte als die meisten Grützcombos, die heute wie die Pilze aus dem Boden schießen. Da nur 500 Exemplare von 'Wondrous End' hergestellt wurden, ist Eile geboten – besonders, weil die Gruppe ja nicht mehr existiert. Und an die Bandmitglieder (hier sei besonders Herr Roth angesprochen!) möchte ich appellieren, den Entschluß nochmals zu überdenken - und Faun schnellstmöglich wieder zu reformieren!

Stefan H. Kost, Empire Ausgabe Nummer 45, 5/98

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